Fabian oder der Gang vor die Hunde

Dienstag, 19. Oktober, 18.00 und 20.00 Uhr

Deutschland 2021; Regie: Dominik Graf; Darsteller*innen: Tom Schilling, Albrecht Schuch, Saskia Rosendahl; Prädikat: besonders wertvoll; FSK: ab 12; 176 Minuten

Im Berlin des Jahres 1931 lässt sich der Germanist und Werbetexter Jakob Fabian durch das Leben treiben. Während er tagsüber für die Werbung einer Zigarettenfirma zuständig ist, ist er nachts oft mit seinem Studienkollegen Labude unterwegs und macht die Unterweltkneipen, Bordelle und Künstlerateliers unsicher. Das sorglose Leben der beiden jungen Männer wird durch eine durch Kommunisten und Nationalsozialisten geteilte Gesellschaft zunehmend bedroht und auch Labude träumt davon, dass die Klassen gegen die Obrigkeit revolutionieren. Fabian kann mit dem politischen Umbruch nicht viel anfangen und kommentiert die Geschehnisse ironisch. Eines Tages trifft er in einem Atelier auf Cornelia und verliebt sich auf den ersten Blick in sie. Fabians naives Leben nimmt eine dramatische Wendung, als er einer Entlassungswelle zum Opfer fällt, Cornelias Karriere als Schauspielerin jedoch an Fahrt aufnimmt…

Der Film verbindet auf klug durchdachte Weise sowohl die Historie, die sich durch Kästners Vorlage ergibt, als auch die aktuellen Bezüge einer Gesellschaft in Unruhe. Und wird so mehr als zu einer werknahen Literaturverfilmung. Fabian oder der Gang vor die Hunde ist eine aufmerksame und trotz seiner inhaltlichen Schwere immer erzählerisch leichte Beobachtung einer haltlosen und unsicheren Gesellschaft, in der Einzelschicksale verschwimmen. Und in seinen letzten Bildern eine starke Erinnerung daran, dass es ein System gab, in dem Fabian nie hätte existierten dürfen.

Die beste aller Welten

Dienstag, 12. Oktober, 18.00 Uhr und 20.00 Uhr

Deutschland/Österreich 2017; Regie: Adrian Goiginger; Darsteller*innen: Verena Altenberger, Jeremy Miliker, Lukas Milo; FSK: 12; Prädikat: besonders wertvoll; 99 Minuten

Für den siebenjährigen Adrian ist seine Mutter Helga die Beste. Zusammen leben die beiden in einer kleinen Wohnung am Rande von Salzburg. Helga liebt ihren Sohn abgöttisch, erzählt ihm Geschichten und ermutigt ihn zu träumen. Doch während Helga alles daran setzen möchte, ihrem Sohn eine gute Zukunft zu ermöglichen, scheitert sie an sich selbst. Denn Helga ist drogenabhängig, genau wie ihr Lebensgefährte Günther und dessen Freunde, allesamt gescheiterte und von der Gesellschaft vergessene Existenzen. Ständig lebt Helga in der Angst, dass das Jugendamt ihr Adrian wegnehmen wird. Und so erfinden die beiden ein Spiel, in dem es darum geht, nach außen hin ein normales Leben zu führen

Eine authentische Milieustudie, die die Drogensüchtigen und Kleinkriminellen nicht verurteilt, sondern schildert, wie sie mit ihren Ängsten zu überleben versuchen. Goiginger hat alles genau so durchlebt, wie er es in seinem Debütfilm beschreibt. Er möchte mit seinem Film die Aufmerksamkeit auf diese Szene lenken, die nach wie vor an den Rändern der Gesellschaft existiert, aber kaum wahrgenommen wird – etwa im Außenbezirk Salzburgs, wo er selber groß geworden ist. Hier wurde der Film auch gedreht, und die Menschen dort haben den Regisseur wiedererkannt.

Cinema Paradiso zeigt den Film in Zusammenarbeit mit dem Bürgerkreis für psychosoziale Arbeit e. V. in Sinsheim.

Bait

Dienstag, 5. Oktober, 18.00 Uhr und 20.00 Uhr

GB 2019; Regie: Mark Jenkin; Darsteller*innen: Edward Rowe, Simon Sheperd, Morgan Val Baker, Georgia Ellery, Martin Ellis; FSK: ab 12; 87 Minuten; OmU

Die Postkartenidylle des Fischerdorfs in Cornwall ist trügerisch. Wo man früher von der Fischerei leben konnte, fallen nun reiche Londoner Touristen ein und verdrängen die Einheimischen, deren Existenzgrundlage gefährdet ist. Auch das Verhältnis der Brüder Steven und Martin ist angespannt. Martin ist ein Fischer ohne eigenes Boot, denn damit veranstaltet Steven jetzt lukrativere Ausflugsfahrten. Das Cottage der Familie haben sie verkauft und mit den neuen Eigentümern scheint nur noch eine letzte Schlacht zu schlagen zu sein: die um einen küstennahen Parkplatz. Doch die Lage eskaliert und das nicht nur wegen einer Autokralle.

Bait ist ein Schwarzweißfilm, der im 16-mm-Format gedreht und mit der Hand entwickelt wurde. Zahlreiche Nahaufnahmen von Fischen, Netzen, Hummern, Gummistiefeln, Knoten und Fangkörben lassen an die Theorie einer Montage der Attraktionen denken. Ebenso erinnert die Darstellung der unterschiedlichen sozialen Milieus, man könnte auch von Klassenverhältnissen sprechen, an die sozialrealistische Tradition im britischen Kino. Vor allem aber lässt sich hinter der filmgeschichtlich anspielungsreichen visuellen Oberfläche jede Menge politische Aktualität entdecken.

Intrige

Dienstag, 28. September, 18.00 und 20.00 Uhr

Frankreich/Italien 2020; Regie: Roman Polanski; Darsteller*innen: Jean Dujardin, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner; FSK: ab 12; 132 Minuten

Am 5. Januar 1895 wird der junge jüdische Offizier Alfred Dreyfus wegen Hochverrats in einer erniedrigenden Zeremonie degradiert und zu lebenslanger Haft auf die Teufelsinsel im Atlantik verbannt. Zeuge dieser Entehrung ist Marie-Georges Picquart, der kurz darauf zum Geheimdienstchef der Abteilung befördert wird, die Dreyfus der angeblichen Spionage überführte. Anfänglich überzeugt von dessen Schuld kommen Picquart Zweifel, als weiterhin militärische Geheimnisse an die Deutschen verraten werden. Doch seine Vorgesetzten weisen ihn an, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Entgegen seines Befehls ermittelt er weiter und gerät in ein gefährliches Labyrinth aus Verrat und Korruption, das nicht nur seine Ehre, sondern auch sein Leben in Gefahr bringt.

Nomadland

Dienstag, 14. September, 18.00 und 20.00 Uhr

USA 2020; Regie: Chloé Zhao; Darsteller*innen: Frances McDormand, David Strathairn, Gay DeForest, Patricia Grier, Linda May, Angela Reyes; FSK: ab 0; 110 Minuten

Fern hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren, aber dennoch ist sie in dem gemeinsamen Haus in Empire, Nevada, wohnen geblieben. Nun allerdings hat die United States Gypsum Corporation, ein Baustoffhersteller und der einzige große Arbeitgeber der Kleinstadt, dichtgemacht und es gibt keine Jobs mehr. Nicht einmal eine Postleitzahl hat Empire mehr, weswegen Fern in ihrem kleinen Transporter lebt, durch die Vereinigten Staaten fährt und sich von Job zu Job treiben lässt. Sie besteht allerdings darauf, dass sie nicht obdachlos, sondern einfach nur hauslos ist. Fern könnte aufgrund ihrer Qualifikationen jederzeit wieder ein normales Leben führen, doch sie bevorzugt das Leben auf der Straße mit seiner Freiheit, den anderen Menschen und den vielen Bekanntschaften, die man irgendwann wiedertrifft. So arbeitet sie etwa in einem Versandlager, bei der Ernte oder in einer Wohnwagensiedlung…

Nomadland basiert auf Jessica Bruders Sachbuch Nomaden der Arbeit, in dem sie über meist ältere Menschen berichtet, die durch die Weiten der Vereinigten Staaten ziehen, in ihren Wohnmobilen oder Vans auf Parkpätzen oder in der Wüste übernachten, von einem saisonalen Job zum anderen. Einige der in dem Buch vorgestellten Protagonistinnen sind auch als Laiendarstellerinnen im Film zu sehen, Frances McDormand und David Strathairn sind die einzigen professionellen Darsteller*innen. Nomadland gewann bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen den Hauptpreis und wurde 2021 bei der Oscarverleihung gleich dreimal ausgezeichnet: bester Film, beste Hauptdarstellerin, beste Regie.

Ich bin Dein Mensch

Dienstag, 7. September, 18.00 Uhr und 20.00 Uhr

Deutschland 2021; Regie: Maria Schrader; Darsteller*-innen: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier; FSK ab 12; 108 Minuten

Alma ist Wissenschaftlerin am berühmten Pergamon-Museum in Berlin. Um an Forschungsgelder für ihre Arbeit zu kommen, lässt sie sich zur Teilnahme an einer außergewöhnlichen Studie überreden. Drei Wochen lang soll sie mit einem ganz auf ihren Charakter und ihre Bedürfnisse zugeschnittenen humanoiden Roboter zusammenleben, dessen künstliche Intelligenz darauf angelegt ist, der perfekte Lebenspartner für sie zu sein. Alma trifft auf Tom, eine hochentwickelte Maschine in Menschengestalt, einzig dafür geschaffen, sie glücklich zu machen….

Ich bin Dein Mensch erzählt von einer Begegnung, die uns in der nahen Zukunft vielleicht erwartet. Es ist eine melancholische Komödie um die Fragen der Liebe, der Sehnsucht und was den Menschen zum Menschen macht. Was sind die menschlichen Bedürfnisse an eine Beziehung? Können Maschinen vielleicht manche dieser Bedürfnisse besser erfüllen? Wann sind wir bereit, eine Maschine zu lieben? Das sind Fragen, die der Film auslotet.
Hauptdarstellerin Maren Eggert gewann für ihre Rolle den Silbernen Bären bei der Berlinale 2021.

La Verité – Leben und lügen lassen

Dienstag, 31. August, 18.00 und 20.00 Uhr

Frankreich/Japan 2019; Regie: Hirokazu Kore-eda; Darsteller*innen: Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke, Clémentine Grenier, Ludivine Sagnier; 106 Minuten

Der französische Filmstar Fabienne stellt sich in ihrer Autobiographie als fürsorgliche, liebevolle Mutter dar, die sie in den Augen ihre Tochter Lumir allerdings nie war. Anlässlich der Buchveröffentlichung lässt es sich Lumir nicht nehmen, mitsamt Ehemann und Kind, aus New York nach Paris anzureisen. Alte und neue Konflikte bleiben da nicht aus. Als Fabiennes Assistent seinen Job kündigt, tritt Lumir ungewollt an seine Stelle – und kommt ihrer Mutter dabei so nahe wie schon lange nicht mehr…

In seiner ersten nicht-japanischen Produktion nimmt Hirokazu Kore-eda das Genre der französischen Ensemblekomödie auf, mit viel Sinn für Selbstreflektion und einer grandiosen Catherine Deneuve im Zentrum.

Master Cheng in Pohjanjoki

Dienstag, 24. August, 18.00 Uhr und 20.00 Uhr

Finnland/China 2019; Regie: Mika Kaurismäki; Darsteller*innen: Anna-Maija Tuokko, Chu Pak-hong, Kari Väänänen, Lucas Hsuan; FSK: ab 6; 114 Minuten

Auf der Suche nach einem alten finnischen Freund reist der chinesische Koch Cheng nach dem Tod seiner Frau mit seinem kleinen Sohn in ein abgelegenes Dorf in Lappland. Bei der Ankunft scheint niemand im Dorf seinen Freund zu kennen, aber die lokale Cafébesitzerin Sirkka bietet ihm eine Unterkunft an. Im Gegenzug hilft Cheng ihr in der Küche, und bald werden die Einheimischen mit den Köstlichkeiten der chinesischen Küche überrascht. Cheng findet trotz kultureller Unterschiede schnell Anerkennung und neue Freunde unter den Finnen. Als sein Touristenvisum abläuft, schmieden die Dorfbewohner einen Plan, der ihm helfen soll zu bleiben …

Der Regisseur überrascht mit einer lakonisch-romantischen Komödie, deren Zutaten er fein ausbalanciert hat: Viel Humor, eine große Portion Warmherzigkeit, etwas Schwermut, romantische Sehnsucht und heiteres Sommerflair fügen sich zu einer filmkulinarischen Köstlichkeit, bei der finnisches Lokalkolorit auf chinesische Weisheit trifft. Kaurismäki zeigt uns dabei, wie er es ausdrückt, „die positiven Seiten der Globalisierung“. Der Film gewann den Publikumspreis der Nordischen Filmtage in Lübeck.

Undine

Dienstag, 17. August, 18.00 und 20.00 Uhr

Deutschland/Frankreich 2020; Regie: Christian Petzold; Darsteller*innen: Paula Beer, Franz Rogowski, Mariam Zaree, Jacob Matschenz; FSK ab 12; 89 Minuten

Undine lebt in Berlin. Ein kleines Appartement am Alexanderplatz, ein Honorarvertrag als Stadthistorikerin, ein modernes Großstadtleben wie auf Abruf. Als ihr Freund Johannes sie verlässt, bricht eine Welt für sie zusammen. Der Zauber ist zerstört. Wenn ihre Liebe verraten wird, so heißt es in den alten Märchen, muss sie den treulosen Mann töten und ins Wasser zurückkehren, aus dem sie einst gekommen ist.

Undine wehrt sich gegen diesen Fluch der zerstörten Liebe. Sie begegnet dem Industrietaucher Christoph und verliebt sich in ihn. Es ist eine neue, glückliche, ganz andere Liebe, voller Neugier und Vertrauen. Atemlos verfolgt Christoph ihre Vorträge über die auf den Sümpfen gebaute Stadt Berlin, mühelos begleitet Undine ihn bei seinen Tauchgängen in der versunkenen Welt eines Stausees. Doch Christoph spürt, dass sie vor etwas davonläuft. Undine muss sich dem Fluch stellen. Diese Liebe will sie nicht verlieren.

Undine ist Christian Petzolds faszinierende Neuinterpretation des Mythos der geheimnisvollen Wasserfrau Undine, die nur durch die Liebe eines Menschen ein irdisches Leben führen und eine Seele erlangen kann: Ein modernes Märchen in einer entzauberten Welt, die Geschichte einer Liebe auf Leben und Tod.

Für Sama

Dienstag, 10. August, 18.00 und 20.00 Uhr

GB/Syrien 2019; Regie: Waad al-Kateab, Edward Watts; Mit: Waad al-Kateab, Hamza Al-Khateab, Sama Al-Khateab; FSK: 16; Prädikat: besonders wertvoll; 95 Minuten

Als der Arabische Frühling 2011 Syrien erreicht, bricht die 20-jährige Waad al-Kateab ihr Studium ab. Ihre Eltern möchten, dass sie nach Hause kommt, doch Waad bleibt in Aleppo und schließt sich den Rebellen an – von der Hoffnung auf demokratischen Wandel getragen. Dann schlägt das Assad-Regime zurück; Menschen verschwinden, werden gefoltert, liegen als Leichen im Fluss. Und es beginnen die Bombardements. Inmitten der jahrelangen Belagerung von Aleppo verliebt sich die junge Frau in den Arzt Hamza, der versucht, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Waad selbst dokumentiert das Leben im Ausnahmezustand, zunächst mit ihrem Smartphone, dann mit einer Videokamera. Sie filmt Notoperationen, Sterbende, Tote, Trauernde. Und sie filmt ihre Tochter Sama, die 2015 zur Welt kommt.

Al-Kateabs journalistische Kontakte – ihre Reportagen aus dem Krieg wurden mit einem Emmy ausgezeichnet – ermöglichten der Familie 2017 die Flucht nach England. Für Sama ist ein radikal persönlicher, auch parteiischer Film, der auf eine Diskussion der komplizierten politischen und militärischen Lage verzichtet. Das macht seine Stärke aus: die Konzentration auf das unmittelbare Erleben der eingeschlossenen Zivilisten, auf den irritierenden Wechsel von Entspannung und Todesangst, vom Kuscheln mit der Tochter zur Flucht ins finstere Untergeschoss. Im Unterschied zum Strom der Nachrichtenbilder wird das Leid der unbekannten, zufälligen Opfer hier aber stets konkret – indem die Regisseurin es mit ihrer Erfahrung als Frau und Mutter verknüpft. Der Film bringt dem Publikum erschütternd nahe, welchen Risiken die Menschen in den neuen Kriegsregionen ausgesetzt sind.