The Card Counter

Di 2.8. (18 und 20 Uhr) / Do 4.8. (17:30) / So 7.8. (13:00)

USA 2021; Regie: Paul Schrader; Darsteller*innen: Oscar Isaac, Willem Dafoe, Tiffany Haddish, Tye Sheridan; FSK: ab 16; 112 Minuten

William ist ein ehemaliger Soldat, der heute das Kartenspiel beherrscht. Er spielt nur mit einem Einsatz, der ihn nicht auf dem Radar der Betreiber erscheinen lässt. Er zieht von einer Stadt zur anderen, übernachtet aber nicht in den Casinohotels, sondern mietet günstige Zimmer in Motels, damit man seine Bewegungen nicht nachverfolgen kann. Eines Tages wird er von einem jungen Mann namens Cirk angesprochen. Dessen Vater folterte zusammen mit Major John Gordo Gefangene in Abu Ghuraib und landete genau wie William hierfür im Gefängnis. Durch die Begegnung kehren Willams Alpträume zurück, wie ihn der diabolische Major Gordo in die Foltertechniken eingewiesen hat. William ist in seiner Vergangenheit gefangen. Für ihn gibt es keine Zukunft.

Die Folterungen von Abu Ghuraib und die damit verbundenen persönlichen Schicksale verdichtet der Regisseur Paul Schrader zu eindringlichen Kinobildern. The Card Counter ist ein grandioser Film über Schuld und Sühne, über das Pokern und über ein amerikanisches Kriegstrauma.

Silence Breakers

Di 26.7. (18 und 20 Uhr) / Do 28.7. (17:30) / So 31.7. (13:00)

Deutschland/Frankreich/Israel 2021; Regie: Silvina Landsman; Dokumentarfilm; FSK: ab 12; 92 Minuten

„Erst war ich ruhig, dann wurde ich gewalttätig“, sagt eine junge Frau. Sie habe Gefangene wie Tiere behandelt. Unter Tränen berichtet sie, wie sie die Palästinenser an ihrem Einsatzort in Hebron verhaftet, geohrfeigt, getreten, beschimpft hat. Die Aussage dieser jungen Frau ist Teil des Dokumentarfilms Silence Breakers, der die Arbeit der israelischen NGO Breaking the Silence schildert. Es ist eine schwierige, schmerzvolle Arbeit, denn die Aktivisten der 2004 gegründeten Organisation richten ihre Scheinwerfer auf finstere Ecken ihres Landes. Sie sammeln Zeugenaussagen ehemaliger Soldaten, die ihr Schweigen brechen und als Whistleblower Auskunft geben über Armeegewalt in den besetzten palästinensischen Gebieten. Sie wollen zeigen, wie die seit 55 Jahren andauernde Besatzung die jungen Wehrpflichtigen, die Armee und die ganze Gesellschaft vergiftet. Die Filmemacherin Silvina Landsman, 56, die in Buenos Aires aufgewachsen und als Kind mit ihren Eltern nach Israel eingewandert ist, hat die Arbeit der Aktivisten über mehrere Monate begleitet.

Ein Dorf zieht blank (Normandie Nue)

Di 19.7. (18 und 20 Uhr) / Do 21.7. (17:30) / So 24.7. (13:00)

Frankreich 2018; Regie: Philippe Le Guay; Darsteller*innen: François Cluzet, Toby Jones, Pili Groyne; FSK: ab 6; 110 Minuten

Es lief schon mal besser für die Bewohner des kleinen Städtchens Mêle-sur-Sarthe in der Normandie. Die Landwirtschaftskrise greift um sich, sämtliche Bauern sind verschuldet, die Einnahmen der Stadt gehen gegen Null. Doch Bürgermeister Balbuzard weigert sich, aufzugeben. Also beschließt Balbuzard die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Als zufällig der berühmte Fotokünstler Blake Newman in den Ort kommt, scheinen alle Probleme gelöst und die nötige Aufmerksamkeit garantiert. Denn Newman möchte ausgerechnet hier sein neues spektakuläres Fotoprojekt realisieren und sogar die Bauern mit einbeziehen. Wäre da nicht noch eine Kleinigkeit, von der der Bürgermeister noch alle überzeugen muss: Die Bauern sollen sich für das Foto ausziehen …

Getragen wird der Film von den authentisch agierenden Darstellern. Die Gemeindeabende, in denen kleine und große Probleme lautstark ausdiskutiert werden, wirken ebenso milieuecht wie auch die gesamte Kleinstadtszenerie rund um den Marktplatz, wo das Herz der Kleinstadt schlägt, wo getratscht, beobachtet, gezankt und geheiratet wird. Feelgood auf französisch – voller Herz und Charme.

Das Ereignis (L’Événement)

Di 12.7. (18 und 20 Uhr) / Do 14.7. (17:30) / So 17.7. (13:00)

Frankreich 2021; Regie: Audrey Diwan; Darsteller*innen: Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Luàna Bajrami, Sandrine Bonnaire, Louise Orry-Diquero; FSK: ab 12; 100 Minuten

Frankreich, 1963. Anne ist eine begabte Literaturstudentin, die eine vielversprechende Zukunft vor sich hat. Als sie schwanger wird, sieht sie ihre Chancen schwinden, ihr Studium zu beenden und sich aus den Zwängen ihrer sozialen Herkunft befreien zu können. Die Wochen verstreichen, die Abschlussklausuren stehen an. Anne entscheidet, ganz auf sich allein gestellt, zu handeln, auch wenn sie dabei riskiert, ins Gefängnis zu kommen.

Mehr noch als von der Schwierigkeit im Jahre 1963 ein ungeplantes Kind abtreiben zu können, erzählt Audrey Divan in Das Ereignis von den oft kaum wahrnehmbaren, aber stets existenten Klassenunterschieden, die die französische Gesellschaft prägen. Wirkt Anne äußerlich noch wie eine ganz normale Studentin, zieht sich ähnlich an und hört dieselbe Musik, wirkt gerade die regelmäßige Heimreise zu den Eltern auf dem Land wie eine Zeitreise. Die Mutter hilft ihr, wie sie eben kann, doch man merkt, dass sie die Ziele der Tochter kaum begreifen kann, da sie kaum noch die selbe Sprache sprechen.

Als Abtreibungsdrama wurde Audrey Divans Das Ereignis beschrieben, als es beim Festival in Venedig Premiere feierte und mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Doch der auf dem autobiographischen Roman von Annie Ernaux basierende Film ist so viel mehr: ein Film über soziale Klassen, die Durchlässigkeit der Gesellschaft und den schwierigen Versuch, sich als Frau nicht unterkriegen zu lassen.

Drive My Car

Di 5.7. (18 und 20 Uhr) / Do 7.7. (17:30) / So 10.7. (13:00)

Japan 2021; Regie: Ryusuke Hamaguchi; Darsteller*innen: Hidetoshi Nishijima, Reika Kirishima, Toko Miura, Masaki Okada; FSK: ab 12; 179 Minuten; OmU

Yusuke Kafuku, ein Bühnenschauspieler und Regisseur, ist glücklich verheiratet mit Oto, einer Drehbuchautorin. Doch Oto stirbt plötzlich, nachdem sie ein Geheimnis hinterlassen hat. Zwei Jahre später erhält Kafuku, der den Verlust seiner Frau noch immer nicht ganz verkraftet hat, das Angebot, bei einem Theaterfestival Regie zu führen und fährt mit seinem Auto nach Hiroshima. Dort lernt er Misaki kennen, eine zurückhaltende Frau, die ihm als Fahrerin zugewiesen wird. Sie chauffiert den Künstler fortan in seinem roten Saab 900 zur Arbeit und zurück. Auf ihren gemeinsamen Fahrten beginnen die beiden ganz zögerlich, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und öffnen sich einander, um von ihrer beider Leben zu berichten…

Drive My Car ist eine fesselnde Geschichte über Vertrauen und Verrat und basiert auf Haruki Murakamis Kurzgeschichte Von Männern, die keine Frauen haben. Durch seine unaufdringliche Inszenierung, das brillante Spiel der Darsteller und die Detailverliebtheit bei den Figuren zieht der Film den Zuschauer von Beginn an in seinen Bann.

Der Film erhielt 2021 den Preis für das beste Drehbuch in Cannes und 2022 den Oscar als bester Internationaler Film.

One Word

Di 28.6. (18 und 20 Uhr) / Do 30.6. (17:30) / So 3.7. (13:00)

Deutschland 2020; Dokumentation; Regie: Viviana und Mark Uriona; 83 Minuten; OmU

One Word erzählt von den Auswirkungen des Klimawandels auf die Republik der Marshallinseln und ihre Bevölkerung. Die Marshallinseln sind ein Inselstaat in der Nähe des Äquators im endlosen Blau des Pazifischen Ozeans. Der größte Teil der Marshallinseln liegt weniger als 1,8 Meter über dem Meeresspiegel. Das ansteigende Meer erodiert das tief liegende Land, versalzt das Grundwasser und tötet die Vegetation ab. Die Treibhausgasemissionen der Industriegesellschaften schädigen die alte Kultur der Marshallinseln schwer und könnten sie sogar zerstören.

Der Film wurde in neun Monaten unter Beteiligung vieler Marshalles*innen in Filmworkshops vor Ort entwickelt und gedreht. One Word verzichtet auf einen Off-Erzähler und wird nur von den Stimmen der Bewohner einer sterbenden Welt erzählt. Doch deren Botschaften sind überraschend kraftvoll und voller Optimismus: Die Menschheit kann und wird sich ändern, um die Zivilisation und den Planeten zu bewahren!

Durch den partizipativen Ansatz der Filmentstehung lernte das in Deutschland lebende Ehepaar Uriona die Menschen vor Ort kennen und entwickelte gemeinsam mit ihnen das Filmprojekt. Diese einzigartige Herangehensweise an die gegenseitige Erforschung hat zu einem aufregenden, lebendigen und hoch aufgeladenen Dokumentarfilm geführt, der das wichtigste Thema unserer Zeit festhält. One Word lief und läuft weltweit auf Film-Festivals und hat zahlreiche Preise gewonnen.

The Sunlit Night

Di 21.6. (18 und 20 Uhr) / Do 23.6. (17:30) / So 26.6. (13:00)

Deutschland/Norwegen 2019; Regie: David Wnendt; Darsteller*innen: Jenny Slate, Alex Sharp, Fridtjov Såheim, Gillian Anderson, Zach Galifianakis; FSK: ab 12; 91 Minuten

Nach einem Roman von Rebecca Dinerstein hat David Wnendt einen verschroben-poetischen Film um eine Kunststudentin gedreht, die auf den Lofoten Inspiration findet. Endlich ein Stipendium! Die Kunststudentin Frances glaubt zunächst, dass sie das große Los gezogen hat. Doch die verkrachte Malerin verschlägt es auf die Lofoten, eine Inselgruppe nördlich des Polarkreises, wo die Sonne lange Zeit nicht untergeht. Das einzigartige Licht, das dabei erstrahlt, will der verschrobene Künstler Nils mit einer Installation einfangen. Dafür muss Frances zwölf Stunden täglich malen. Nicht künstlerisch. Sie muss eine Scheune anstreichen.

Mit ihrem herben Charme ist die Stand-up-Komikerin Jenny Slate wie geschaffen für diese verdrehte Frauenfigur. Der episodisch mäandernde Film versammelt eine rekordverdächtige Anzahl schräger Charaktere – zunächst einmal macht ihr Freund mit Frances Schluss, ein ausgemachter Trottel, aber es tut trotzdem weh. Nicht minder lakonisch beschreibt Frances auch ihren Vater, der als Illustrator darunter leidet, mehr Handwerker als Künstler zu sein.

Im Gegensatz zu einem konventionellen Frauenfilm spielt die obligatorische Liebesgeschichte nicht die zentrale Rolle. Die Romanze mit dem Exilrussen Yasha verleiht dem Film nur einen Farbtupfer mehr. Schließlich erfüllt sich Frances‘ Leben mit Sinn. Die Schlüsselfunktion übernimmt dabei eine banale Milchtüte im Supermarkt. Als Frances die Packung aus dem Regal nimmt, blickt sie durch die frei gewordene Lücke in die Augen einer blonden Frau, die Frances mit ihrem Pinsel auf die Leinwand bringt.

Dieses Feelgoodmovie und die nordische Reise ins Licht muss man einfach mögen. Allein schon die in Gelborange erstrahlende Scheune, die Frances anmalen muss, ist ein echter Hingucker.

Lunana ­– Das Glück liegt im Himalaya

Di 14.6. (18 und 20 Uhr) / Do 16.6. (17:30) / So 19.6. (13:00)

Bhutan 2020; Regie: Pawo Choyning Dorji; Darsteller*innen: Sherab Dorji, Tshering Dorji, Kelden Lhamo Gurung, Ugyen Norbu Lhendup; FSK ab 0; 109 Minuten; OmU

Der junge Ugyen lebt in Thimphu, der Hauptstadt Bhutans. Eigentlich träumt er davon, im Ausland als Musiker Karriere zu machen. Doch er wird dazu verpflichtet, sein letztes Ausbildungsjahr als Lehrer im Lunana-Tal an den Hängen des Himalaya zu verbringen. Dort steht im Dorf Lhedi in 4.000 Meter Höhe die wohl abgelegenste Schule der Welt. Ein Dutzend Kinder wartet hier wissbegierig darauf, unterrichtet zu werden. Sie wären der Traum eines jeden Lehrers, aber nicht der von Ugyen.

Nach achttägigem Treck durch die atemberaubende Bergwelt trifft er auf eine Dorfgemeinschaft, die ihn mit Respekt betrachtet. Nur ein Lehrer könne „die Zukunft der Kinder berühren“. Er, der den Beruf des Lehrers an den Nagel hängen wollte, erfährt hier mehr über die Schule und das Leben als in seiner Ausbildung. Und er scheint auch besser zu spüren, was das Bruttosozialglück bedeutet, das man in Bhutan höher gewichtet als das Bruttosozialprodukt.

Ugyen verliebt sich in die Sängerin Sandon, deren Lieder ganz in der mythischen Kraft des Gebirges wurzeln. Auch sie verändert seine Perspektive völlig. Der Film Lunana ist so etwas wie die Suche nach dem Glück, das wir gerne weit weg wähnen, wo es doch ganz nah sein kann. Ein sanfter Liebesfilm in atemberaubenden Bildern aus dem Himalaya. Lunana wurde nominiert für den Oscar als bester ausländischer Film.

Quo Vadis, Aida?

Di 7.6. (18 und 20 Uhr) / Do 9.6. (17:30) / So 12.6. (13:00)

Bosnien/Österreich/Polen/Deutschland/Rumänien/Frankreich/Norwegen/Türkei/Holland 2021; Regie: Jasmila Žbanic; Darsteller*innen: Jasna Duricic, Izudin Bajrovic, Boris Ler, Dino Bajrovic, Boris Isakovic. Johan Heldenbergh, Raymond Thiry; FSK: ab 12; 101 Minuten

25 Jahre liegt das Massaker von Srebrenica zurück, bei dem serbische Milizen tausende Bosnier ermordeten. Der Film beginnt unmittelbar an Ort und Stelle jener alten Batteriefabrik bei Potocari, wo sich am 11. Juli 1995 um die 25.000 Bosniaken, größtenteils Frauen und Kinder, zu den dort stationierten UN-Soldaten flüchteten, nachdem das nahe gelegene Srebrenica von bosnischen Serben eingenommen worden war. Hier arbeitet die ehemalige Lehrerin Aida als Übersetzerin.

Quo Vadis, Aida? erzählt keine besonders raffinierte Geschichte. Schließlich weiß man ziemlich genau, worauf es hinausläuft. Und doch schildert sie Zbanic mit einer Souveränität, die den Abwehrreflex gegenüber dem historischen Horror überwindet. Aida, wie sie wieder und wieder Station und Lager durchschreitet, von einer Ecke zur anderen, dort übersetzt, da verhandelt und an dritter Stelle um den Schutz für ihre Söhne fleht, hält den Zuschauer in Atem. Gleichzeitig registriert man gewissermaßen durch ihre Augen all die verräterischen Details: wie sich die Blauhelme von der serbischen Miliz demütigen lassen, wie Generäle sich hinter Anordnungen und Sachzwängen verschanzen und sehenden Auges wehrlose Menschen ausliefern.

Zbanic erzählt die Geschichte so eindringlich, dass Beklemmung und Betroffenheit entsteht, ohne dass sie dafür Leichen zeigen muss. Es ist die Erzählung der wenigen Stunden, in denen dieses Massaker noch zu verhindern gewesen wäre. Der Film gewann den Europäischen Filmpreis 2021 (Bester Film, Beste Regie, Beste Darstellerin).

Der Schein trügt

Di 31.5. (18 und 20 Uhr) / Do 2.6. (17:30) / So 5.6. (13:00)

Serbien 2021; Regie: Srdjan Dragojevic; Darsteller*innen: Goran Nvojec, Kenija Marinkovic, Natasa Markovic; FSK: ab 16; 122 Minuten

Was macht mickrige Männer zu mächtigen? Der serbische Autor und Regisseur Srdjan Dragojevic gibt in seiner unterhaltsamen Satire Der Schein trügt eine eindeutige Antwort auf die Frage: Bösartigkeit.

Der Schein trügt ist eine Satire, die aus drei Episoden besteht. Es geht jeweils um göttliche Wunder in der postkommunistischen Gesellschaft Serbiens und ihre Auswirkungen. Den Auftakt bildet die Geschichte des fürsorglichen Familienvaters Stojan, der plötzlich einen Heiligenschein über dem Kopf trägt, nachdem eine Glühbirne einen Kurzschluss hatte. Stojan wird zur größten Attraktion der Nachbarschaft, und seine Frau Nada ist schnell genervt von dem ganzen Trubel. Dieser verdammte Heiligenschein muss weg! Also verdonnert Nada ihnen Mann dazu, ausgiebig zu sündigen. Stojan begeht eine Todsünde nach der anderen, wird aber den Heiligenschein trotzdem einfach nicht los…

Mit satirischer Schärfe und tragisch-düsterem Humor setzt sich Dragojevic mit dem Missbrauch christlicher Werte auseinander und entlarvt die Methoden skrupelloser Politiker. Exzellente Schauspieler, virtuose Bildsprache, derber Humor, wohltuende Lebensweisheit: Wie im Welterfolg Parada setzt der Regisseur auf Spannung, Witz und übersprudelnde Fantasie.