Unruh

Di 2.5. (18 und 20 Uhr) / Do 4.5. (17:30) / So 7.5. (13:00)

Unruh

Schweiz 2022; Regie: Cyril Schäublin; Darsteller*innen: Clara Gostynski, Alexei Evstratov; FSK: 6; 98 Minuten

Ein Tal in der Nordwestschweiz im Jahr 1877. Josephine arbeitet in einer Uhrenfabrik, wo sie die Achse der Unruhe herstellt, ein winziges Stück, das den Schwung in der Mitte der mechanischen Uhr verursacht. Da Josephine Schwierigkeiten hat, ihre Gemeindesteuern zu bezahlen, ist sie unzufrieden mit der Organisation von Arbeit und Besitz im Dorf und in der Fabrik und schließt sich der anarchistischen Arbeiterbewegung der örtlichen Uhrmacher, der Fédération Jurassienne, an. Dort lernt sie Piotr Kropotkin kennen, einen schwermütigen russischen Reisenden. Ihre Begegnung fällt in eine Zeit, in der die Zeitmessung, die Fotografie und der Telegraf die soziale Ordnung verändern und anarchistische Erzählungen mit einem aufkommenden Nationalismus konkurrieren. Bei einem Waldspaziergang fragen sich Josephine und Piotr: Sind Zeit, Geld und Staat nicht alles nur Fiktionen?

Der Filmemacher Cyril Schäublin erzählt von den sozialen Widersprüchen mit großer Gelassenheit und bietet der angehenden Hektik, die uns heute plagt, künstlerisch Paroli. Was für ein vielschichtiges, sympathisches und trotz des historischen Hintergrunds gegenwärtiges Filmkunstwerk.

The Banshees of Inisherin

Di 25.4. (18 und 20 Uhr) / Do 27.4. (17:30) / So 30.4. (13:00)

The Banshees of Inisherin

Irland/Großbritannien/USA 2022; Regie: Martin McDonagh; Darsteller*innen: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan; FSK: ab 16; 114 Minuten

Martin McDonagh erzählt in der einzigartigen Landschaft der irischen Aran Inseln eine märchenhafte Fabel über Freundschaft, Verrat und Einsamkeit. Brendan Gleeson und Colin Farrell spielen vor dem Hintergrund des irischen Bürgerkrieges 1923 zwei Trinkbrüder, die sich bitter verstreiten.

Auf der kleinen Insel Inisherin vor der Westküste des Landes ist die Zeit quasi stehengeblieben. Es passiert nicht viel im nebeligen Einerlei der Tage, und da ist es schon eine Sensation, wenn Colm beschließt, seinen langjährigen besten Freund Pádraic einfach nicht mehr zu mögen. Täglich trinken sie im örtlichen Pub ihr Bier zusammen, bis eines Tages Colm sich von Pádraic abwendet – ohne ersichtlichen Grund. Colm will komponieren, etwas hinterlassen, was die Zeit überdauert. Und Colm meint es ernst. Sollte Pádraic ihn weiter belästigen, werde er sich einen Finger nach dem anderen abschneiden. Die Geister, so scheint es, haben sich seiner bemächtigt. Was bei dem Einen verzweifelte Versuche der Wiederannäherung auslöst, sorgt bei dem Anderen für immer krassere Maßnahmen, um den Kontakt abzubrechen… Zusammengehalten wird all das von tiefschwarzem Bier und der Musik, für die im Film der großartige Carter Burwell sorgt.

Die schwarzhumorige Tragikomödie über die menschliche Eigenart, sich selbst das Leben zur Hölle zu machen, vom preisgekrönten Regisseur von Three Billboards Outside Ebbing, Missouri intelligent inszeniert, war für 9 Oscars nominiert.

Halleluhja: Leonard Cohen

Di 18.4. (18 und 20 Uhr) / Do 20.4. (17:30) / So 23.4. (13:00)

Hallelujah: Leonard Cohen, a Journey, a Song

USA 2022; Filmemacher*innen: Daniel Geller und Dayna Goldfine; Biographie-Doku, FSK 0; 118 Minuten

Leonard Cohen, geboren 1934, kanadischer Dichter, Maler und Singer-Songwriter, hat diese und jene Hits geschrieben und ist 2016 gestorben. So ungefähr hätte man eine Dokumentation über Leonard Cohen machen können – doch glücklicherweise haben die Filmemacher*innen Daniel Geller und Dayna Goldfine einen anderen Weg gewählt. Hallelujah: Leonard Cohen, a Journey, a Song ist tatsächlich eine Reise durch die faszinierende Geschichte des Songs. Dabei dient das Lied im Film als roter Faden für die Biographie Cohens: Ein suchender Philosoph mit Schaffenskrisen, ein Stehaufmännchen, zeitweise Mönch, dann aber auch in seinen späten Jahren ein Sänger mit erstaunlichem Comeback. Der Film ist eine interessante Tour in die Vita und die aufregende Karriere des Künstlers. Viele Fakten kennen Cohen-Fans natürlich schon längst, aber auch sie können dazulernen, während sie intensiv in Hallelujah eintauchen.

Als Cohen den Song 1984 rausbringen wollte, weigert sich seine Plattenfirma das dazugehörige Album Various Positions zu veröffentlichen. Nicht gut genug, heißt es da – dabei hatte der Singer-Songwriter schier endlos an dem Lied gefeilt: Schätzungsweise 150 Strophen hatte Cohen geschrieben und verworfen.

Der Film basiert auf dem Buch The Holy Or The Broken aus dem Jahr 2012 von Alan Light. Kurz vor Cohens Tod 2016 begannen die Filmemacher*innen mit Interviews. Mehr als 100 Stunden mit Archiv- und Audiomaterial haben sie durchgearbeitet, dazu kamen knapp 70 Stunden Interviewmaterial. Ein enormer Aufwand, den sie zu zwei Stunden Film zusammengeschnitten haben. Diese Arbeit hat sich gelohnt!

She said

Di 11.4. (18 und 20 Uhr) / Do 13.4. (17:30) / So 16.4. (13:00)

She said

USA 2022; Regie: Maria Schrader; Darsteller*innen: Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson; FSK: ab 12; Prädikat besonders wertvoll; 129 Minuten

Seit den 1990er Jahren gehört der Filmproduzent Harvey Weinstein zu den einflussreichsten Playern im Business. Viele Stars wollen mit ihm arbeiten, sich in seinem Glanz sonnen. Und viele Frauen wünschten sich, ihn niemals getroffen zu haben. Denn Weinstein nutzt seine Macht, um Frauen sexuell zu bedrängen und zu missbrauchen. Ein offenes Geheimnis, über das zu viele geschwiegen haben. Bis im Jahr 2017 eine Schauspielerin den Anfang macht und Weinstein anzeigt. Und zwei Journalistinnen der New York Times – Megan Twohey und Jodi Kantor – sich auf die Suche nach weiteren Opfern Weinsteins machen. Um nicht nur einen Mann zur Rechenschaft zu ziehen, sondern ein ganzes System ins Wanken zu bringen.

She said erzählt die Geschichte einer langen Suche nach Gerechtigkeit. Die Geschichten der Opfer werden im Detail geschildert und in Flashbacks angedeutet, dabei setzen Regie und Buch nicht auf explizite, schockierende Bilder, sondern auf die eindringliche Wirkung der Schilderungen selbst. Das Journalistendrama bereitet die Ereignisse minutiös auf, zeigt ein genaues Gespür für Timing und verpackt die Empathie für die Opfer, denen Twohey und Kantor eine Stimme gegeben haben, nie in überdramatisiertes Pathos. Besser, packender und genauer kann man eine wahre Geschichte nicht fürs Kino erzählen.

Acht Berge

Di 4.4. (18 und 20 Uhr) / Do 6.4. (17:30) / So 9.4. (13:00)

Acht Berge

Italien/Belgien/Frankreich 2022; Regie: Felix Van Groeningen, Charlotte Vandermeersch; Darsteller*innen: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Elena Lietti; FSK: ab 6; 147 Minuten

Eine Geschichte vom Aufbrechen und vom Wiederkehren – und davon, was ein erfülltes Leben ausmacht. Die Verfilmung des preisgekrönten Bestellers von Paolo Cognetti.

Es ist die Geschichte einer Freundschaft. Sie erzählt von zwei Jungen, die zu Männern werden: Pietro der Stadtbursche, Bruno das letzte Kind eines vergessenen Bergdorfes. Im Laufe der Jahre trennen sich ihre Wege. Bruno bleibt seiner vertrauten Heimat treu, während es Pietro in die weite Welt hinauszieht. Trotzdem kehrt er immer wieder in die Berge zurück, zu diesem Dasein in Stille, Ausdauer und Maßhalten. Er ringt mit Bruno um die Frage, welcher Weg der richtige ist. Stadt oder Land? Gehen oder Bleiben? Was zählt wirklich im Leben? Die Begegnungen machen sie mit Liebe und Verlust bekannt, erinnern sie an ihre Herkunft und lassen ihre Schicksale sich entfalten.

Der große Preis der Jury in Cannes ist wohlverdient; er gilt auch den hervorragenden Hauptdarstellern. Ein mitreißender Film voll berührender Romantik.

Alcarràs – Die letzte Ernte

Di 28.3. (18 und 20 Uhr) / Do 30.3. (17:30) / So 2.4. (13:00)

Alcarràs – Die letzte Ernte

Spanien/Italien 2021; Regie: Carla Simón; Darsteller: Josep Abad, Jordi Pujol Dolcet, Anna Otín; FSK: ab 6; 120 Minuten

Seit 80 Jahren baut die Familie Solé in Alcarràs Pfirsiche an. In diesem Sommer versammelt sie sich zum letzten Mal zur gemeinsamen Ernte. Das Land hatte ihnen einst der Großgrundbesitzer Pinyol überlassen, als Dank für seine Rettung im Spanischen Bürgerkrieg. Doch der junge Pinyol will vom Handschlag seines Großvaters nichts mehr wissen. Er will das Land zurück, um eine Photovoltaik-Anlage darauf zu errichten. Auf einzigartige, vielstimmige, mit überbordender Energie und Momenten der Stille orchestrierte Weise erzählt „Alcarràs“ von der letzten Ernte der Solés – so handfest, zärtlich und sinnlich, dass wir uns bald selbst als Mitglied der Familie wähnen. Der Großvater Rogelio gibt die Hoffnung nicht auf, den jungen Pinyol zum Einlenken zu bewegen. Vater Quimet stürzt sich in die Erntearbeit, als gäbe es doch noch ein Morgen. Dolors hält Haus und Familie mit fröhlicher Geduld zusammen, doch auch sie kann beherzt Grenzen ziehen. Jede und jeder in diesem Ensemble hat seine eigene Stimme und Geschichte. Die lärmende Unbeschwertheit des Familienfests, harte Arbeitstage vom Morgengrauen bis tief in die Nacht, der Kampf in der Genossenschaft gegen das Preisdiktat der Supermärkte, die Fröhlichkeit der gemeinsamen Ernte, das tiefe Wissen über Pflanzen und Boden, die Ungewissheit über das, was kommen mag: „Alcarràs“ ist ein grandios choreografierter Film voller Farben, Kontraste und Facetten, voller Leben und Liebe.

„Wegen der herausragenden Darstellungen, von den Kinderschauspieler:innen bis zu den 80jährigen, wegen der Fähigkeit, die Zärtlichkeit und Komödie einer Familie ebenso zu zeigen wie ihre Kämpfe, und wegen des Portaits unserer Verbindung zur Erde um uns herum und unserer Abhängigkeit von ihr: Der Goldene Bär der Berlinale 2022 geht an Alcarràs“. M. Night Shyamalan, Präsident der Jury