Große Freiheit (Great Freedom)

Dienstag, 29. März, 18.00 und 20.00 Uhr

Österreich/Deutschland 2021; Regie: Sebastian Meise; Darsteller*innen: Franz Rogowski, Anton von Lucke, Ulrich Faßnacht, Fabian Stumm; FSK: ab 16; 116 Minuten

Hans Hoffmann liebt Männer. Als ihn die Soldaten der Alliierten nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus aus dem Konzentrationslager befreien, ist seine Leidenszeit noch nicht zu Ende. Hans wird in den Regelvollzug überstellt, um seine Reststrafe abzusitzen – nach Paragraph 175, der hier in Westdeutschland unverändert in Kraft ist.

Im Gefängnis begegnet Hans dem verurteilten Mörder Viktor. Der will zunächst mit einem „175-er“ nichts zu tun haben. Doch Hans‘ rebellischer, stoischer Stolz, der sich auf dem Gefängnishof und gegen die Willkür der Wärter zu behaupten weiß, nötigt ihm Respekt ab. Wieder und wieder landet Hans, der Wiederholungstäter, im Gefängnis. Und immer ist da Viktor, der Lebenslängliche. Sie kennen sich.

Hans will sich nicht unterwerfen. Er will leben und lieben. Mit Oskar erlebt er eine glückliche, verliebte Zeit, fast unbeschwert trotz des unaufhörlichen Zwangs, sich verstecken zu müssen. Dann weist der Paragraph 175 auch diese Beziehung in die Schranken. Im Gefängnis treffen sie sich wieder. Der erfahrene Hans hilft Oskar, der unbarmherzigen Härte des Knastalltags zu begegnen. Selbst hier finden sich Mittel und Wege für heimliche Treffen, selbst hier vermag Hans Glück zu empfinden. Aber Oskar ist für dieses Leben nicht gemacht, die Konfrontation, das Verheimlichen, die trügerische Aussicht auf eine Freiheit da draußen. Er weiß sich nicht mehr zu helfen.

Jahre später. Im Gefängnis verliebt sich Hans in seinen Mitgefangenen Leo, einen Musiklehrer. Aber er ist vorsichtig geworden. Er will niemanden mehr gefährden mit seiner eigenen Sehnsucht. Mit einer Falschaussage vor Gericht verhilft er Leo zur Freilassung. Seine eigene Strafe wird heraufgesetzt.

Wieder und wieder begegnen sich Viktor und Hans über die Jahrzehnte, diese beiden so ungleichen Männer, und ringen den Schikanen und der Gewalt im Knast kleine Freiräume und Zufluchten ab. Sie vertrauen sich, sie kennen die Umstände, denen sie standhalten müssen, und die kleinen Tricks, die ihnen Luft zum Atmen verschaffen. Eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden durch eine unstillbare Sehnsucht nach Freiheit und Leben. Oder ist es am Ende allen Widerständen zum Trotz Liebe?

Nowhere Special

Dienstag, 22. März, 18.00 und 20.00 Uhr

Großbritannien/Italien/Rumänien 2020; Regie: Uberto Pasolini; Darsteller*innen: James Norton, Daniel Lamont, Eileen O’Higgins, Valene Kane; FSK: ab 6; 96 Minuten

John, ein Fensterputzer aus Belfast, zieht seinen dreijährigen Sohn Michael praktisch seit der Geburt allein groß. Doch John hat einen Hirntumor, ihm bleiben nur noch wenige Monate. Seit dieser Diagnose sucht er mit behördlicher Unterstützung nach passenden Adoptiveltern für seinen Sohn. »Passend«, das merkt man auch als Zuschauer sehr schnell, ist ein Begriff, der sich so leicht dahersagt, den mit Bedeutung zu füllen jedoch unendlich schwer ist. Wir begleiten John und Michael zu mehreren adoptionswilligen Paaren, und die Größe, der Humanismus dieses bis in die kleinsten Rollen hervorragend besetzten Films zeigt sich auch darin, dass diese Menschen – bis auf eine pointierte Ausnahme – auf ihre ganz persönliche Weise allesamt fürsorglich und liebevoll wirken, vom Akademikerpaar bis zum Briefträger. Unwillkürlich beginnt man abzuwägen und weiß im Grunde selbst nicht recht, was den Ausschlag geben könnte.

Filme über todranke Menschen stellt man nicht nur als Kritiker instinktiv unter Kitschverdacht. Zu leicht scheint es, damit einen Publikumsnerv zu treffen, vorzugsweise die Tränendrüse. So gesehen gelingt Uberto Pasolini ein doppeltes Kunststück, denn in Nowhere Special kombiniert er das Motiv des nahenden Todes sogar noch mit dem ungewissen Schicksal eines kleinen Kindes – zu einem Film von selten gewordener Zurückhaltung und Sensibilität in der Schilderung tragischer Schicksale. Zutiefst berührend, aber nie rührselig. Bis zum letzten Bild wahrt der Film die Balance zwischen Abschiedsschmerz und leiser Zukunftshoffnung. Und gerade indem Pasolini alles so scheinbar einfach hält, zeigt er, dass er es sich nicht leicht macht.

The Father

Dienstag, 15. März, 18.00 und 20.00 Uhr

GB 2020; Regie: Florian Zeller; Darsteller*innen: Anthony Hopkins, Olivia Colman, Mark Gatiss, Imogen Poots, Mark Gatiss, Olivia Williams; FSK: ab 6; 115 Minuten

Anne  ist in großer Sorge um ihren Vater Anthony. Als lebenserfahrener, stolzer Mann lehnt er trotz seines hohen Alters jede Unterstützung durch eine Pflegekraft ab und weigert sich standhaft, seine komfortable Londoner Wohnung zu verlassen. Obwohl ihn sein Gedächtnis immer häufiger im Stich lässt, ist er davon überzeugt, auch weiterhin allein zurechtzukommen. Doch als Anne ihm plötzlich eröffnet, dass sie zu ihrem neuen Freund nach Paris ziehen wird, ist er verwirrt. Wer ist dann dieser Fremde in seinem Wohnzimmer, der vorgibt, seit über zehn Jahren mit Anne verheiratet zu sein? Und warum behauptet dieser Mann, dass Anthony als Gast in ihrer Wohnung lebt und gar nicht in seinem eigenen Apartment? Anthony versucht, die sich permanent verändernden Umstände zu begreifen und beginnt mehr und mehr zu zweifeln: an seinen Liebsten, an seinem Verstand und schließlich auch seiner eigenen Wahrnehmung.

Die Oscar-Preisträger Anthony Hopkins und Olivia Colman zeigen in Florian Zellers meisterhaft inszeniertem Regiedebüt ein Schauspiel von beeindruckender Echtheit, das den Zuschauer unvermittelt in das Leben mit Demenz versetzt. The Father feierte im Januar 2020 beim Sundance Film Festival Premiere und setzte seinen beeindruckenden Siegeszug seitdem auf zahlreichen internationalen Festivals fort, darunter die Filmfestspiele von Toronto, San Sebastian, Telluride und Zürich. Dabei erntete das Regiedebüt von Florian Zeller mit Anthony Hopkins und Olivia Colman in den Hauptrollen nicht nur begeisterte Kritiken, sondern erhielt auch diverse Filmpreise wie den Audience Award als Bester Film in San Sebastian, einen GOYA Award als Bester Europäischer Film und zahlreiche Nominierungen, darunter vier Golden Globe-, sechs BAFTA- und sechs Oscar-Nominierungen.

Nur ein Augenblick (The Accidental Rebel)

Dienstag, 8. März, 18.00 und 20.00 Uhr

Deutschland/Großbritannien 2019; Regie: Randa Chahoud; Darsteller*innen: Mehdi Meskar, Emily Cox, Jonas Nay; FSK: ab 16; 108 Minuten

Der junge Syrer Karim und seine schwangere Freundin Lilly leben in Hamburg ein sorgenfreies Studentenleben. Als Karims geliebter Bruder Yassir in Syrien in ein Foltergefängnis verschleppt wird und Karim beschließt, Yassir aus dem Kriegsgebiet zu retten, bleibt Lilly besorgt und zunehmend verzweifelt zurück. Nur ein Augenblick zeigt erschreckend greifbar den Teufelskreis der Kriegsgewalt und offenbart schonungslos, wie schnell man selbst zum Täter werden kann…

Bei Nur ein Augenblick zeichnet Chahoud als Regisseurin und Drehbuchautorin verantwortlich, ein Film, der einen neuen und sehr persönlichen Blick auf einen der größten Konflikte unserer Zeit liefern wird und für Randa Chahoud eine „absolute Herzensangelegenheit“ ist. Als Tochter eines Syrers und einer deutschen Politikwissenschaftlerin beschäftigt sie sich seit Ausbruch des Bürgerkriegs immer wieder mit dem Thema Gewalt, ein Thema, das für so viele Menschen den Alltag bestimmt. „Durch meine syrischen Wurzeln war es mir möglich, während des Schreibprozesses nicht nur in Scriptworkshops und dramaturgischen Beratungsgesprächen am Stoff zu arbeiten, sondern auch durch Gespräche innerhalb meiner Familie, mit hochrangigen Oppositionellen, langjährigen politischen Gefangenen, Mitgliedern der Syrischen Befreiungsarmee und auch Verfechtern der Assad-Regierung in die Materie einzutauchen.“

Online für Anfänger (Effacer l’historique)

Dienstag, 1. März, 18.00 und 20.00 Uhr

Frankreich/Belgien 2020; Regie: Benoît Delépine, Gustave Kervern; Darsteller*innen: Blanche Gardin, Denis Podalydès, Corinne Masiero, Vincent Lacoste, Benoît Poelvoorde; FSK: ab 12; 110 Minuten

In seiner grotesken Komödie beschäftigt sich das französische ­Filmemacherduo Gustave Kervern und Benoît Delépine mit dem Fluch des Internets: Dafür gab es auf der Berlinale 2020 einen Silbernen Bären.

Marie muss seit der Trennung vom Ehemann ihr Mobiliar im Internet verkaufen, um über die Runden zu kommen. Zu allem finanziellen Übel fürchtet sie um den Respekt ihres jugendlichen Sohnes, sollte ein peinliches Sextape von ihr online gehen. Bertrands Tochter wurde Opfer von Cyber-Mobbing, während er selbst sich in die Stimme einer Callcenter-Agentin am anderen Ende der Welt verliebt hat und ihr kein noch so beklopptes Angebot ablehnen kann. Und schließlich Christine, die sich über schlechte Internet-Bewertungen wundert, die sie trotz aller Anstrengungen als Uber-Fahrerin mit ihrem Kleinwagen bekommt und ihr dadurch die erneute Arbeitslosigkeit droht.
Die drei Nachbarn haben die Fremdbestimmung durch die Übermacht der sozialen Medien und Techgiganten satt und sagen Silicon Valley den Kampf an!

Die Gesellschaftssatire Online für Anfänger nimmt die Absurditäten und Stolperfallen des digitalen Alltags zwischen künstlicher Intelligenz, Fake-Bewertungen und den überteuerten Kosten sogenannter Gratis-Hotlines aufs Korn. Als Spezialisten für anarchischen Humor bleibt sich das französische Regie- und Autorenduo in ihrem neunten gemeinsamen Spielfilm selbst treu – wirklich jeder bekommt sein Fett weg: Von weltweit agierenden Ausbeuter-Konzernen bis hin zu Rentnern, die dutzende Kilometer fahren, um ein paar Cent beim Einkauf zu sparen. Und doch: Aus vermeintlich Gestrauchelten des Internet-Alltags werden Helden, die sich furchtlos ihre privaten Daten aus dem Internet zurückholen wollen.