Shoplifters – Familienbande

Mittwoch, 29. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Japan 2018; Regie: Hirokazu Kore-eda; Darsteller*innen: Lily Franky Sakura Ando, Mayu Matsuoka, Kilin Kiki, Kairi Jyo; FSK: ab 12; 121 Minuten

Tokio. Eine Familie hält sich mit kleinen Diebstählen über Wasser. Bei einem nächtlichen Streifzug begegnen Vater Osamu und Sohn Shota einem kleinen Mädchen, das ganz auf sich alleine gestellt ist. Kurzentschlossen nehmen sie das Mädchen mit. Das Mädchen lebt sich schnell in die neuen Verhältnisse ein. Dann jedoch passiert etwas, welches das gerade entstandene Gefüge wieder durcheinander wirft.

In Shoplifters wendet sich der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda wieder dem Thema der vielfältigen und komplexen Beziehungen innerhalb einer Familie zu. Das Thema ist für ihn nicht neu, bereits in Like Father, like Son (2013) und Unsere kleine Schwester (2015) setzte er sich damit auseinander. Mit Shoplifters ist ihm wieder ein kurzweiliges und sensibles Porträt einer Familie gelungen. Der Film gewann in Cannes 2018 die Goldene Palme.

Murer – Anatomie eines Prozesses

Mittwoch, 22. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Österreich/Luxemburg 2018: Regie: Christian Frosch; Darsteller*innen: Karl Fischer, Alexander Fennon, Roland Jäger, Melita Jurisic; FSK: o. A.; 137 Minuten

Österreich im Jahr 1963: Franz Murer, ein angesehener Lokalpolitker und Großbauer steht vor Gericht, weil er von 1941 bis 1943 schwere Kriegsverbrechen begangen hat und als sog. Schlächter von Vilnius zahlreiche Juden in der litauischen Hauptstadt ermorden ließ. Obwohl er dort wegen Mordes verurteilt wurde, saß er nur fünf Jahre ab und wurde freigelassen – allerdings unter der Bedingung, dass der Prozess gegen ihn in Österreich wieder aufgenommen wird. Das ist aber aus sehr obskuren Gründen niemals geschehen. Doch dann entdeckt der Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal durch Zufall, dass Murer straffrei in der Steiermark lebt, und veranlasst, dass sich der eigentlich längst Verurteilte nun doch noch vor Gericht für seine Taten rechtfertigen muss. Doch dessen Aussagen und die zahlreicher anderer Überlebender der Shoah reichen nicht aus, um eine Verurteilung zu erwirken, weil die Politik endlich mit der Nazi-Vergangenheit abschließen will. Murer wird trotz erdrückender Beweislage freigesprochen…

In Österreich wurde das Morden von Angehörigen der Wehrmacht, Polizei und SS als Pflichterfüllung verklärt, und die beiden größten politischen Parteien in Österreich waren sich einig darin, die NS-Verbrechen nicht zu ahnden, was für die Gesellschaft auf Jahrzehnte hinaus prägend war. Am Beispiel des Prozesses gegen Franz Murer und dem politischen Umfeld des Prozesses werden im Film die Funktionsweisen der Strategien von Abwehr und Vertuschung sichtbar, die sich noch immer nicht erledigt haben.

Der Trafikant

Mittwoch, 15. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland/Österreich 2018; Regie: Nikolaus Leythner; Darsteller*innen: Karoline Eichhorn, Bruno Ganz, Johannes Krisch; Prädikat: besonders wertvoll; FSK: ab 12; 114 Minuten

Wien 1937: Der siebzehnjährige Franz Huchel kommt in die Stadt, um eine Lehrstelle in einer Trafik (österreichisch für Tabak- und Zeitschriftenladen) bei einem Jugendfreund der Mutter anzutreten. Huchel ist naiv, verträumt und behütet auf dem Land aufgewachsen. Die Großstadt überfordert den Jungen. Durch die Zeitungen lernt er die Welt kennen, am Prater die Liebe, als er auf Tänzerin Anezka trifft. Doch Wien im Jahr 1937 steht kurz vor einem brutalen Umschwung.

Der Trafikant von Nikolaus Leytner ist die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Robert Seethaler. Ganz im Stil der literarischen Vorlage erzählt der Film schon fast lakonisch seine Geschichte. Auf geschickte Weise verknüpft er die Begegnung eines jungen Mannes mit einer berühmten Persönlichkeit vor den düsteren historischen Ereignissen. Real wirkende Spielfilmszenen wechseln immer wieder zu Traumsequenzen, die in ihrer Licht- und Farbsetzung überzeugen. Auch die Schauspieler, allen voran Simon Morzé als junger Franz, Bruno Ganz als altersweiser Sigmund Freud sowie Johannes Krisch als unbequem revolutionärer Trafikant agieren glaubwürdig. Die fast schon philosophischen Gespräche zwischen Franz und Freud lassen den Zuschauer tief in die Geschichte eintauchen, und der historische Kontext ist auch ein indirekter Appell an die heutige Zeit, ohne dabei im Vordergrund der Geschichte zu stehen. (FBW)

Menashe

Mittwoch, 8. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

USA 2017; Regie: Joshua Z. Weinstein; Darsteller*innen: Menashe Lustig, Yoel Weisshaus, Yoel Falkowitz, Ruben Niborski, Meyer Schwartz; FSK: ab 6; 82 Minuten; OmU

Menashe ist der erste abendfüllende Spielfilm des jungen Regisseurs Joshua Z. Weinstein. Dieser Film ist ungewöhnlich, denn es ist der erste Film in der Geschichte der Berlinale, der komplett auf Jiddisch gedreht wurde. Die Titelfigur Menashe lebt in Borough Park im New Yorker Stadtteil Brooklyn. In Borough Park befindet sich eine der größten ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden außerhalb von Israel. Religion und Tradition prägen das Leben der knapp 120.000 streng gläubigen Juden. Obwohl ihr Viertel mitten in einer der modernsten Metropolen der Welt liegt, ist hier alles anders. Touristen wird geraten, sich nicht dorthin zu verirren – denn in diesem Viertel bleiben die Menschen lieber unter sich.

Menashe arbeitet in einem koscheren Lebensmittelgeschäft. Vor einem Jahr hat er seine Frau verloren. Deshalb darf sein zehnjähriger Sohn Rieven nicht bei ihm leben, denn das verbietet die orthodoxe Auslegung der Thora. Menashe distanziert sich zunehmend von den Bräuchen seiner Gemeinde, er trägt keinen hohen Hut oder schwarzen Mantel wie die anderen Männer. Seine Schläfenlocken klemmt er sich so hinter die Ohren, dass sie kaum noch zu sehen sind. Um seinen Sohn wiederzubekommen, lässt er sich widerwillig auf die Partnervermittlung seiner Gemeinde ein, doch letztlich weist er jede Dame schroff von sich. Nach dem Verlust seiner Frau ist er noch nicht so weit.

Regisseur Joshua Z. Weinstein ist selbst Jude, lebt den Glauben aber modern. Obwohl er selbst in New York geboren wurde, war die Gemeinde von Borough Park für ihn eine ferne Welt, zu der er keinen Zutritt hatte. Genau das war seine Inspiration für Menashe.

Die defekte Katze

Mittwoch, 1. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland 2018; Regie: Susan Gordanshekan; Darsteller*innen: Pegah Ferydoni, Hadi Khanjanpour, Constantin von Jascheroff; Deutsch und Farsi; FSK ab 6; 93 Minuten

Die studierte Elektrotechnikerin Mina kommt neu nach Deutschland und soll gemäß der Tradition und dem Wunsch ihrer Eltern eine arrangierte Ehe mit einem Mann aus dem Iran eingehen. Schließlich stimmt sie einer Hochzeit mit Kian zu, der Assistenzarzt ist und in Deutschland bereits seit frühster Kindheit ein mustergültiges Leben als Immigrant führt. Doch obwohl sich Mina und Kian merklich Mühe geben und auch eine gewisse Zuneigung füreinander empfinden, merken beide schnell, dass es gar nicht so leicht ist, eine Ehe zu führen, wenn man sich überhaupt nicht kennt, und ihre Beziehung besteht aus wenig mehr als dem Austausch von Höflichkeiten. Ein weiteres Problem ist, dass Kian sich mit Minas modernen Ansichten nicht so recht arrangieren kann. Als Mina sich dann auch noch einer merkwürdigen Katze annimmt, scheint die Ehe endgültig gefährdet. Doch dann werden die Karten auf einmal neu gemischt…

Die deutsche Regisseurin, die selbst iranische Eltern hat, beobachtet ihre Hauptfiguren differenziert und genau. Sie wirft einen frischen Blick auf das Thema Paarbeziehung und Migration. Es gelingt ihr, in ihrem Spielfilmdebüt mit den erwartbaren Klischees nur zu spielen und immer wieder überraschende Wendungen für die Handlung zu finden. Die defekte Katze ist eher ein Liebes- als ein Migrationsfilm – obwohl man als Zuschauer/in ohne eigene Migrationserfahrung auch darüber eine ganze Menge lernen kann.