Lieber leben

Mittwoch, 23. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Frankreich 2017; Regie: Grands Corps Malade, Mehdi Idir; Darsteller und Darstellerinnen: Pablo Pauly, Soufiane Guerrab, Nailia Harzoune; FSK: ab 6; 71 Minuten

Von einem Moment auf den nächsten ist nichts mehr wie es einmal war. Was sich nach einer Phrase anhört, wird für Ben zur bitteren Realität. Ein Unfall macht aus dem sportlichen jungen Mann mit vielen Zukunftsplänen eine hilflose Person, die komplett auf andere angewiesen ist. Als er wieder das Bewusstsein erlangt, ist er vom Hals abwärts gelähmt. Nach vielen Wochen im Krankenhaus wird Ben in eine Reha-Klinik verlegt. Dort beginnt für ihn ein neues Leben.
Der deutsche Titel Lieber leben drückt sehr genau die durchaus positive, lebensbejahende Grundstimmung des Films aus. Diese Herangehensweise an ein ansonsten meist viel zu schwer aufbereitetes Thema zeichnet das Regiedebüt der beiden Freunde Grand Corps Malade und Mehdi Idir aus. Wenn Ben und seine Kumpels durch die endlosen Flure der Klinik fahren, sich mit Galgenhumor im Warten üben oder mit Späßen versuchen, die Zeit totzuschlagen, dann vergisst man mitunter ihre schwierige Lage. Und dennoch wird hier weder beschönigt noch relativiert. Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Glück und Schmerz, Leben und Tod liegen vielmehr dicht beieinander. Erfreulich ist vor allem, wie die Geschichte den Figuren Raum zur Entfaltung lässt und dabei weitgehend auf allzu melodramatische Tricks verzichtet.

Mit Lieber leben verarbeitet der bekannte französische Rapper Grand Corps Malade (der Künstlername heißt übersetzt Großer Kranker Körper) seine eigene Krankheitsgeschichte nun auch filmisch – und gerade diese persönliche Erfahrung prägt den Film nachhaltig. Vor allem in der unsentimentalen ersten Hälfte bietet das Drama, das der Musiker gemeinsam mit Mehdi Idir auch selbst inszeniert hat, ein beeindruckendes Porträt einer lebensumwälzenden Veränderung und des schwierigen durch sie ausgelösten Anpassungsprozesses. Statt großer Gesten gibt es kleine Schritte, statt ausgewalzter Krisen selbstironischen Humor und „angepasste Hoffnung“.

Eine bretonische Liebe

Mittwoch, 16. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Frankreich 2017; Regie: Carine Tardieu; Darsteller: François Damiens, André Wilms, Cécile De France, Alice Lencquesaing; FSK: ab 6; 100 Minuten

In der wunderschönen Landschaft der Bretagne geht Erwan dem Beruf des Minenentschärfers nach. Mit der dafür benötigten Ruhe ist es vorbei, als er erfährt, dass seine Tochter Juliette schwanger ist und den Vater des Kindes nicht verraten will. Um einen genetischen Defekt auszuschließen, den einige Familienmitglieder tragen, machen sie einen DNA-Test. Der bringt zutage, dass der Mann, den Erwan seit mehr als 40 Jahren für seinen Vater gehalten hat, gar nicht sein biologischer Vater ist, sondern ihn nur adoptiert hat. Auf der Suche nach seinem leiblichen Vater trifft Erwan auf den spitzbübischen 70jährigen Joseph, der Erwans Liebe zu der ungestümen Anna gehörig durcheinanderbringt.

Eine bretonische Liebe ist eine außergewöhnliche Liebes- und Familienkomödie, die mit explosiver Komik die unterschiedlichsten Liebeskonstellationen ergründet. Mit François Damiens und Cécile de France brillieren zwei der größten Stars des französischsprachigen Kinos neben großen Darstellern wie Andre Wilms und Alice de Lencquesaing vor der umwerfend schönen Kulisse der Bretagne. Selten hat jemand mit so viel Witz und Ernsthaftigkeit zugleich von den Tragödien der menschlichen Existenz erzählt. „Ich dachte, meine Familie sei banal“, sagt Erwan einmal. Banale Familiengeschichte? Die gibt es nicht – schon gar nicht so schön und clever erzählt.

Das Leuchten der Erinnerung

Mittwoch, 9. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

Italien/USA 2017; Regie: Paolo Virzi; Darsteller: Helen Mirren, Donald Sutherland, Christian McKay; Prädikat: besonders wertvoll; FSK: ab 12; 112 Minuten

Ella und John Spencer sind seit vielen Jahrzehnten verheiratet. Nun hat Ella Krebs und bei John macht sich das Alter immer stärker bemerkbar. Die beiden beschließen, ohne das Wissen ihrer besorgten Kinder und gegen jeden ärztlichen Rat, mit ihrem Wohnmobil noch eine letzte Reise durch Amerika zu unternehmen. Und somit auch eine Reise zurück zu den Erinnerungen an eine wundervolle gemeinsame Zeit – bevor diese Erinnerungen für immer verblassen.

Paolo Virzìs erster englischsprachiger Film ist die Verfilmung des gleichnamigen erfolgreichen Romans von Michael Zadoorian. Mit Helen Mirren und Donald Sutherland hochkarätig besetzt ist der Film eine virtuos gespielte, berührende Liebeserklärung an die Liebe zweier Menschen, die sich ein Leben ohne einander nicht vorstellen können und möchten. Mirren und Sutherland harmonieren auf phänomenale Weise in ihrem Spiel miteinander – Mirren als die eigensinnige Südstaatlerin, die nicht verwinden kann, dass das gemeinsame Glück bald enden muss, und Sutherland als gebildeter Mann, der daran verzweifelt, dass sein großer Geist und seine Erinnerung nach und nach schwindet. Ein berührender Film, der durch seine starken Darsteller und eine zu Herzen gehende Geschichte Zuschauergenerationen verbindet.

The Shape of Water

Mittwoch, 2. Mai, 18.00 und 20.30 Uhr

USA 2017; Regie: Guillermo del Toro; Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Doug Jones, Michael Stuhlbarg, Octavia Spencer; FSK: ab 16; 123 Minuten

Die stumme Elisa ist während des Kalten Krieges in einem Hochsicherheitslabor der amerikanischen Regierung angestellt, wo sie einsam und isoliert ihrer Arbeit nachgeht. Doch als sie und ihre Kollegin und Freundin Zelda ein streng geheimes Experiment entdecken, das in dem Labor vorangetrieben wird, ändert sich Elisas Leben für immer. Sie freundet sich mit dem mysteriösen Wassermann an, der dort in einem Tank gefangen gehalten wird. Ihre Gefühle für die Kreatur werden immer intensiver und zusammen mit ihrem Nachbarn Giles fasst sie schließlich den Entschluss, den Amphibienmann aus den Händen der Regierung zu befreien – allerdings steht die Liebe unter keinem guten Stern, denn nun wird das Paar gnadenlos vom Militär und dem Laborleiter Strickland gejagt, die das außergewöhnliche Geschöpf und seine heilenden Kräfte bei einem Kriegsausbruch gegen die Sowjets einsetzen wollen…

Mit Shape of Water gelingt del Toro eine sehr persönliche Hommage an die »Creature-Features« der 50er Jahre, die sich nicht in Nostalgie verliert, sondern durch kleine Verschiebungen viel Modernes in den alten Geschichten entdeckt. In Venedig wurde der Film mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Happy Burnout

Mittwoch, 25. April, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland 2017; Regie: Andre Erkau; Darsteller und Darstellerinnen: Wotan Wilke Möhring, Anke Engelke, Julia Korschitz; FSK: ab 6; 102 Minuten

Fussel mag seine besten Jahre schon hinter sich haben, aber noch immer ist er von ganzem Herzen ein Punk, Frauenheld, Lebenskünstler und Systemverweigerer. Arbeit kommt jedenfalls für ihn nicht in Frage, stattdessen bringt er lieber mit seinem Charme Frauen um den Verstand. Dazu gehört auch Linda, die Sachbearbeiterin vom Arbeitsamt. Sie ist ihm verfallen und unterstützt seine Zurückhaltung bei der Arbeitssuche. Sie duldet seine Faulheit, bis eine interne Prüfung sie zum Handeln zwingt. Zu einem Job lässt Fussel sich nicht überreden, daher vermittelt sie ihm etwas anderes: ein Arbeitsunfähigkeits-Attest aufgrund eines Burnouts. Schnell ist auch eine Therapie in einer Reha-Klinik durchgewunken und so findet sich Fussel inmitten echter Ausgebrannter wieder. Die haben alle auf einen wie Fussel gewartet, der ihnen sagt, dass sie sich mal locker machen sollen. Und der ihnen im Zweifelsfall das Handy wegnimmt. Das heißt mit seiner ganz eigenen Art mischt er den Laden gehörig auf. Den anderen Patienten tut er ziemlich gut. Je länger aber Fussel dort verweilt, umso unklarer wird, wer eigentlich wen therapiert.